Big in Japan
Unsere Reise nach Japan - was soll ich sagen? Der Wahnsinn... eine ganz eigene Welt. Ein stolzes Volk mit einer unglaublichen Geschichte lebt seinen Hightech-Alltag zwischen Tempeln und Wolkenkratzern. Dieser Kontrast zwischen uralter Kultur und technischem Fortschritt ließ uns so einige male erstaunt zurück. Perfektionismus , Organisation und Hingabe zum Detail suchen ihresgleichen. Nehmen wir nur einmal die Japanische Bahn:
Der Schaffner auf dem Bahnhof zeigt mit seinen weißen Handschuhen am Zug entlang und bestätigt seine Aktion mit einem Ausruf. Dann gibt er das Signal zur Abfahrt. Und wieder geht ein Shinkansen auf die Sekunde pünktlich vom Gleis ab Richtung Osaka. Bis zu elf Mal die Stunde wiederholt sich das Schauspiel. Diese Zugtaktung allein ist schon weltrekordverdächtig. Doch noch rekordverdächtiger – und mittlerweile legendär – ist die Pünktlichkeit der Züge. Im Jahresschnitt beträgt die Verspätung gerade einmal 36 Sekunden pro Zug. Davon könnte sich die Deutsche Bahn mal eine Scheibe abschneiden.
Das lässt sich nicht fotografieren, das muss man erlebt haben. Was doch auch auf den Fotos sichtbar ist: die Sauberkeit und Ruhe selbst in den riesigen Städten wie Osaka und Tokio. An den großen Bahnhöfen kann man fast eine Stecknadel fallen hören und wird teils schräg angeschaut, wenn man sich flüsternd unterhält - An den Türen der Bahnen mahnen Schilder, nicht zu essen, das Telefon auf stumm zu schalten und den Blickkontakt mit anderen Fahrgästen zu meiden. Eine schmale, blitzblank gefegte Seitenstraße in einem stillen Wohngebiet. Es ist so still hier, dass sich nur dieser flüsterleise Hybridwagen von hinten unbemerkt nähern konnte. Der Fahrer hat nicht etwa gehupt, stattdessen so weit heruntergebremst und so lange gewartet, bis er uns doch endlich auffiel. Man will ja nicht stören.
Unsere Reise begann nun aber in Osaka - wir hatten eine kleine Airbnb- Wohnung direkt im Zentrum. Akklimatisieren und die ersten Eindrücke sammeln stand nun auf dem Programm - dabei wollten wir jetzt gar nicht unbedingt alle Touristischen Highlights abklappern, sondern eher ein wenig im japanischen Alltag eintauchen. Weil Kyoto komplett ausgebucht war, die Kirschblüte stand an ihrem Anfang, wurde daraus ein Tagesausflug - von Osaka mit dem Schnellzug gar kein Problem. Wir hatten uns dann natürlich genau den Tag raus gesucht an dem der Kaiserpalast für Besucher geschlossen war - dafür hatten wir dann den tollen Park um den Palast quasi für uns alleine - das war dann auch fast das eigentliche Highlight. Paläste haben wir dann noch zur Genügen an anderer Stelle bewundern dürfen. Der Goldene Pavillon (Kinkaku-ji) war dann aber am späten Nachmittag doch noch einen Abstecher wert.
Die Nächste Station war Hiroshima - mit der Stadt verbindet man wohl erstmal nur eins: Den schrecklichen Atombombenabwurf . Doch Hiroshima ist heute eine moderne und lebendige Stadt mit tollen Restaurants und Bars. Der Friedenspark und das dazugehörige Museum ließen uns dennoch mit einem Schauer und gedrückter Stimmung zurück. Am 6. August 1945 um 08:16 Uhr und zwei Sekunden explodierte die Bombe über der Innenstadt - Es entstand ein Feuerball mit einer Innentemperatur von über einer Million Grad Celsius. 43 Sekunden später gingen in über zehn Kilometern Entfernung Bäume in Flammen auf. Dennoch ist das Mahnmal heute ein Ort an dem eine positive Stimmung herrscht - Überlebende der Explosion falten Papierkraniche mit Kindern aus aller Welt und es wird stark für eine atomare Abrüstung geworben. Im Zentrum des Mahnmals brennt eine Flamme, die erst gelöscht werden soll, wenn es keine Atombomben mehr gibt.
Vor der Küste von Hiroshima liegt Miyajima - die eine kleine Insel ist Weltkulturerbe auf jeden Fall einen Abstecher wert. Das große Torii welches im Wasser steht ist fast schon ein Wahrzeichen Japans. Die zahmen heiligen Rehe sind ziemlich gefräßig, eines davon genehmigte sich die Wanderkarte eines chinesischen Touristen. Unsere Karte blieb und glücklicherweise erhalten, so konnte auch auf der Wanderung zur Spitze des Inselberges nichts schief gehen.
Nun ging es auch schon wieder Richtung Norden weiter - Himeji gehört zu den nationalen Kulturschätzen Japans und ist ebenfalls Weltkulturerbe. Der Park um die prächtige Burg ist als einer der besonders schönen Orte für das Kirschblütenfest bekannt, als wir dort waren, standen allerdings noch nicht alle Bäume in voller Blüte - eigentlich waren es sogar nur ein paar wenige. Ich glaube aber, dass wir den Zeitpunkt trotzdem gut abgepasst haben - überall wurden schon Drängelgitter aufgebaut und die Stadt rüstete sich für den Ansturm von riesigen Touristen-Horden. Wir haben also ein wenig die Ruhe vor dem Sturm erlebt.
In Arima Onsen wurde es dann endlich mal etwas dörflicher - wir blieben für zwei Übernachtungen in den Bergen in einem traditionellen Ryokan, liefen in Yukatas (leichter Kimono aus Baumwolle) herum und wurden an den Abenden mit vielen Köstlichkeiten verwöhnt - Kobe Steak musste natürlich auch mal sein. Tagsüber wurde gewandert oder in den heißen Onsen gebadet - das war genau die richtige Entspannung nach den Großstädten zuvor.
Die letzte Station vor Tokio war dann Fujiyoshida - eine kleine Stadt am Hang des Fuji - wow was für ein Berg. Mit seiner Symmetrie passt er so gut zum japanischen Perfektionismus. Leider versteckt er sich oft hinter dicken Wolken. Einige male schaute er kurz hervor und ließ uns einen Blick auf seinen Gipfel in 3776 Metern Höhe werfen.
Ist das hier wirklich Tokio? Aber ja: Es sind von hier nur ein paar Gehminuten bis zu einem der geschäftigsten Straßenzüge der Welt, der Shibuya-Kreuzung. Dort zeigt sich die Stadt so, wie man sie zu kennen meint, mit Wolkenkratzern, Werbung mit Superstars und Mangafiguren, dazu ein Sound aus Reklame und Popmusik. Einen Moment lang springen für die Autos alle Ampeln gleichzeitig auf Rot. Dann marschieren, rennen und wuseln zu Spitzenzeiten bis zu 15.000 Menschen auf die jeweils andere Straßenseite. Eine Minute haben Fußgänger Zeit, bis die Motoren wieder aufheulen. Genau auf dieser Wahnsinnigen Kreuzung stand dann auf einmal ein Brautpaar vor mir - da musste ich natürlich auch mal ein Paar Bilder mitnehmen.
Tokio ist unglaublich. Einerseits eine Aneinanderreihung von Superlativen: In der Metropolregion leben rund 38 Millionen Menschen, mehr als auf dem gesamten australischen Kontinent. Tokio ist die Stadt mit der höchsten Wirtschaftsleistung der Welt. Wer das hört, denkt: unregierbares Chaos. Andererseits stellt sich das Megacity-Gefühl selten ein. Die eingangs beschriebene Kleinstadtidylle muss man nicht suchen – es gibt sie überall. Wegen des genial, einfachen und zuverlässigen U-Bahn-Systems fährt auch kaum noch jemand mit dem Auto irgendwohin - die Straßen sind also oft leer. Dazu gibt es in ganz Tokio keine öffentlichen Mülleimer - man nimmt seinen Müll mit nach Hause und wirft ihn dort weg. Für Metropolen wie Bangkok, Delhi, Jakarta, aber auch für das ultramoderne südkoreanische Seoul ist Tokio Vorbild. Von dort kommen Beamte zur Schulung nach Japan, um "Megacity" zu lernen. Dazu die Sicherheit: Im Safe Cities Index des britischen Magazins The Economist, landet Tokio unter allen Metropolen der Welt auf Platz eins. Überall in dieser riesigen Stadt gibt es grüne Oasen oder kleine versteckte Tempel zu entdecken. In den vielen kleinen Parks wurde überall Hanami (Das Kirschblütenfest) gefeiert - da entstehen bei begrenztem Platzangebot mitunter kuriose Bilder - in manchen Ecken sah man kaum noch etwas vom Rasen. Unter den schönsten Kirschbäumen musste man auch ständig Angst haben, den ein oder anderen Selfie-Stick ins Auge gerammt zu bekommen - ein Erlebnis war es aber alle male.
Nach den vielen großen Städten und dem Rummel musste zum Ende des Urlaubs noch ein wenig Ruhe und Entspannung her - so stiegen wir noch einmal in den Flieger Richtung Okinawa. Immerhin ist sonst in Japan im März/April kein Strandwetter. Ganz anders auf Okinawa - das Wasser ist warm, die Strände mit Palmen gesäumt und leer - Japaner legen sich nicht an den Strand. Wir hatten dort einen Bungalow direkt am Meer und absolute Ruhe. Diese Ruhe wird nur ab und an von den amerikanischen Besatzern gestört, welche sich wirklich aufführen wie der Elefant im Porzellanladen - mit riesigen Konvois über die Insel düsen, in voller Kampfausrüstung in den Supermarkt stürmen und sich vordrängeln und im Kampfhubschrauber über die leeren Strände brettern. Es wird auch schon mal ein Naturschutzgebiet platt gemacht, damit dort ein neuer U-Boot-Stützpunkt seinen Platz finden kann. So sieht man hier dann auch etwas wirklich seltenes: Japanische Protestkultur - Demonstrationen vor den Toren der US-Camps. Die Einwohner der Insel haben weltweit die höchste Lebenserwartung - wenn man sich dort so umsieht, dann merkt man auch schnell warum: es ist einfach paradiesisch und das gute frische Essen tut sein übriges. Das Aquarium der Insel wäre alleine schon eine Reise wert - hinter dem weltgrössten Fenster schwimmen Mantas, ganze Tunfischschwärme und unter anderem auch 3 Walhaie.
Ich habe wirklich viel Essen fotografiert - auch wenn ich kein großer Food-Fotograf bin oder werden mag. Kulinarisch war die Reise wirklich eine Offenbarung - so frisch und gut und abwechslungsreich habe ich selten gegessen. Dabei habe ich auch wirklich alles probiert und getestet - wobei: als ich eines Morgens an einem Hotelbuffet den Topf mit den fermentierten Tintenfischinnereien aufmachte bin ich doch ein wenig zusammen gezuckt.
Japan hat uns wirklich tief beeindruckt - die Kuriositäten, die großartige Kultur und das tolle Essen, aber vor allen Dingen die Gastfreundlichkeit und Höflichkeit der Menschen. Wir kommen sicher wieder - irgendwann!